Jahresthema 2017/18

Urlaub


Kommt dir das bekannt vor?

„Ich achte echt schon auf viel: Ich kaufe fair gehandelten Kaffee. Ich fahre öfters Rad. Und ich nehme einen Beutel mit zum Einkaufen. Aber in meinem Urlaub kann ich nicht mich nicht auch noch einschränken. Sind ja nur zwei Wochen im Jahr.“

Fakt ist aber, dass gerade unsere Reisen einen sehr großen Anteil an unserem ökologischen Fußabdruck haben. Denn alles, was wir tun, hat Folgen – auch unser Urlaub. Es ist also an der Zeit, unser Urlaubsverhalten kritisch zu hinterfragen. Denn wusstest du, dass:

  • … von jedem Euro, den Tourist*innen in einem Urlaubsland im Globalen Süden ausgeben, 40 – 75 Cent das Land wieder verlassen?
  • … mit dem Wasser eines Golfplatzes auf den Philippinen rund 65 Hektar Ackerland bewässert oder 60.000 Dorfbewohner*innen mit Trinkwasser versorgt werden könnten?
  • … in einem Luxushotel rund 600 Liter pro Gast und Tag für bspw. Pool oder Rasenbewässerung verbraucht werden und dies das 7-fache des sächsischen Pro-Kopf-Verbrauchs ist?

Was kannst du tun?

So öde es womöglich klingen mag, die nachhaltigste Form des Urlaubmachens ist zu Hause bleiben. Damit vermeidest du Treibhausgasemissionen uvm. Und hast Zeit für all die Dinge, die du sonst nicht schaffst: Lesen, Bummeln, lecker Essen,  den Sonnenuntergang auf der Terrasse genießen …

Der Reiz und Erholungseffekt liegt in einer anderen Umgebung –  diese muss aber nicht gleich ein anderer Kontinent sein. Je näher dein Urlaubsort liegt, desto geringer sind der Energieverbrauch und die Emissionen. Wenn es doch mal weiter weg gehen soll, dann bleibe möglichst lange dort, damit Anreise und Aufenthaltsdauer in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen! Am besten nutzt du Bahn, Bus, Rad oder die eigenen Füße für die An- und Abreise. Solltest du zum Fliegen keine Alternative finden, dann bevorzuge Direktflüge und kompensiere deinen Flug über Portale wie Atmosfair. Bewege dich vor Ort zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Informiere dich vor der Reise umfassend über die Umwelt und die Sozialstandards deiner Urlaubsregion. Bevorzuge Reiseanbieter, die dazu Informationen bereitstellen und Wert auf Nachhaltigkeit legen. Viele Anbieter findest du beim forum anderes reisen e.V.. Frage nach Reiseangeboten, die auf Umwelt- und Sozialverträglichkeit Rücksicht nehmen. Achte auf anerkannte Gütesiegel wie z. B. Tourcert. Vermeide All-Inclusive-Urlaube und Kreuzfahrten. Nutze Outdoor-Angebote, bei denen du die Natur erlebst ohne sie zu beeinträchtigen, wie geführte Wanderungen oder Tierbeobachtungen.

Buche deine Unterkunft und Verpflegung möglichst mit landestypischem Komfort in lokalen Quartieren mit einheimischen Beschäftigten und frage nach der Einhaltung von Sozialstandards für die Angestellten. Nutze lokale Dienstleistungen, besuche lokale Veranstaltungen und bevorzuge ortsansässige und naturkundige Führer.

Bevorzuge Frischware aus der regionalen Landwirtschaft statt importierter, abgepackter Lebensmittel. Probiere landestypische Gerichte mit regionalem Gemüse und Früchten und trinke einheimische Getränke. Verzichte auf den Verzehr gefährdeter Arten – wie etwa Haie.

Was zu Hause sinnvoll ist, ist es auch im Urlaub: Behalte deine umweltbewusste Lebensweise bei!Vermeide Müll und verzichte, wo möglich, auf Einwegverpackungen. Spare vor Ort Wasser und Energie. Dusche nur kurz und vermeide tägliches Wechseln von Handtüchern und Bettwäsche. Versuche nur so viel Wasser zu verbrauchen wie die Einheimischen selbst! Passe deine Urlaubsaktivitäten an lokale Begebenheiten an, treibe z. B. in trockenen Gebieten keine wasserintensiven Sportarten wie Golf. Wähle Unterkünfte mit einer Bauweise, die der sommerlichen Hitze natürlich trotzt und keine Klimaanlage benötigt!

Kaufe umweltfreundlichen Sonnen- und Insektenschutz und vermeide Chemie! Außerdem hinterlassen deine wetterfesten Hightech-Klamotten Mikroplastik und chemische Rückstände  (PFC) in der Umwelt, die dort nie wieder abgebaut werden.

EXPEDITION ZUM K2: Entdecke die Gegend in deiner Stadt, welche sich auf dem Stadtplan in dem Feld K2 befindet!

KLEINE ZUFALLSREISEN: Tausche Schlüssel und Adresse mit Freund*innen und verbringe das Wochenende in der jeweils zugeteilten Wohnung. Geh zu allen Verabredungen, die die dort sonst Wohnenden gemacht hätten.

DIE THALASSO-REISE: Denke dir eine Ausrede aus (z. B. ein geplatztes Rohr oder kein heißes Wasser) und lade dich selbst bei Freund*innen ein, um dort ein Bad zu nehmen! Bringe alles mit, was du zu einem Spa mitbringen würdest: Seife, Handtuch, Bademantel, Entspannungsmusik, Algen-Peeling, Champagner etc.!

Das Problem

Seit Jahrzehnten sind wir Deutschen Reiseweltmeister. Fast 82 Millionen Passagiere flogen 2015 von deutschen Flughäfen ab. Also flog prozentual jede*r Deutsche einmal außer Landes. Die jährliche Erholungsreise an die Sonnenplätze dieser Welt ist immer mehr zur gesellschaftlichen Normalität geworden. Mit weltweit wachsenden Mittelschichten und mehr Geld, das damit jedem zur Verfügung steht, steigt auch die Zahl der Menschen, die verreisen. Dennoch ist das (Fern-)Reisen nur einigen Privilegierten vorbehalten, denn laut Schätzungen haben weniger als 10 % der Weltbevölkerung jemals eine internationale Grenze übertreten. Obwohl also nur ein kleiner Teil der Menschen immer mehr reist, sind die ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen des Tourismus deutlich spürbar. „Gerade das Reisen ist eng verbunden mit Mobilität und dadurch mit Klimawandel und Verschwendung.“, so der Professor für Nachhaltiges Tourismusmanagement an der Hochschule Rhein-Waal Dirk Reiser. Aus diesem Grund hat die UN-Generalversammlung das Jahr 2017 zum „Internationalen Jahr des Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung“ erklärt. Dies soll deutlich machen, dass grundlegende Regeln beachtet und die negativen Auswirkungen von Reisen auf Klima, Umwelt und die lokale Bevölkerung verringert werden müssen, damit Tourismus zu einer wirtschaftlichen Entwicklung der bereisten Länder beitragen kann. Mit dem sogenannten „Global Code of Ethics for Tourism“ der UNWTO, der Weltorganisation für Tourismus der Vereinten Nationen, wurden dazu schon 1999 relevante Prinzipien definiert. Diese müssen aber von Regierungen, Tourismusbetreibenden und Tourist*innen anerkannt und umgesetzt werden.

Tourismus gilt weltweit als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige mit über 255 Mio. Beschäftigten und schafft in der Saison fast jeden 11. Job. Gerade Länder des Globalen Südens erhoffen sich vom Tourismus deshalb wirtschaftlichen Aufschwung und nehmen hierfür – freiwillig oder unfreiwillig – negative Auswirkungen in Kauf. Wenn nicht ausländische Investoren in große Infrastrukturprojekte investiert haben (und dann auch wieder die daraus resultierenden Gewinne abziehen), nehmen gerade ärmere Länder hierfür häufig Schulden bei der Weltbank auf. Länder mit hoher Abhängigkeit vom Tourismus entwickeln zudem eine gefährliche wirtschaftliche Einseitigkeit mit einer wirtschaftlichen Strukturverschiebung hin zu einer allein auf Tourismusdienstleistungen ausgerichteten Wertschöpfung. Dies zerstört traditionelle Arbeits- und Lebensweisen und führt zu existentieller Abhängigkeit von kaufkräftigen Besucherströmen. In der Regel profitiert nur eine Minderheit von den Gewinnen, wohingegen die erhöhte Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen durch die Tourist*innen die Preise steigen lässt. Dies hat eine schlechtere Verfügbarkeit für die lokale Bevölkerung zur Folge, was zu sozialen Spannungen führen kann.

Tourismus hat häufig gravierende Folgen für die Umwelt der Reiseziele. An den – wie der Soziologe Stephan Lessenich sagt – „Zielorten des wohlstandskapitalistischen Fernwehs“ werden oft die natürlichen Ressourcen ausgeschöpft, Wälder gerodet, Trockengebiete bewässert, Feuchtgebiete ausgetrocknet und ganze Ökosysteme zerstört. Der Flächenbedarf des Tourismus ist enorm. Touristische Infrastrukturmaßnahmen, wie der Ausbau von flächenintensiven Hotel- und Freizeitanlagen sowie Camping- und Golfplätzen verursachen häufig massive Umweltschäden, vor allem weil Tourismus-Projekte meistens in landschaftlich reizvollen, intakten Lebensräumen errichtet werden. Infolge von Off-Road-Fahrten, Trittschäden oder dem Sammeln von Pflanzen wird die Vegetation stark belastet. Lokale Populationen verschiedener Tierarten werden durch Jagd, Fischerei, Vertreibung, Wilderei und Souvenirhandel mit Produkten von bedrohten Tierarten dezimiert. Wasser wird für Swimmingpools, die Bewässerung von Golfplätzen und Grünanlagen und durch den hohen Verbrauch von Tourist*innen in hohem Maß verwendet. Generell sind der Energie- und Wasserverbrauch sowie das Müllaufkommen im Urlaub wesentlich höher als zu Hause. Gerade in Ländern des Globalen Südens gibt es zudem häufig kein effizientes Abwasser- und Müllmanagement, was große ökologische Schäden durch den Eintrag von Umweltgiften zur Folge hat.

Der Klimawandel wirkt sich schon heute verheerend auf viele Länder des Globalen Südens aus. Tourismus befeuert diese Tendenzen durch seine hohen Treibhausgasemissionen, vor allem bei An- und Abreise sowie bei Transporten vor Ort. Laut Tourism Watch ist Tourismus für 5 – 8 % aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das Flugzeug ist dabei das klimaschädlichste aller Verkehrsmittel. Eine einzige Fernflugreise übersteigt bereits wesentlich das klimaverträgliche Emissionsbudget, das einem Menschen für ein ganzes Jahr zur Verfügung steht. Zudem werden durch das Fliegen Treibhausgase und Schadstoffe in die oberen Atmosphärenschichten eingebracht, wo sie noch gravierendere Auswirkungen haben als am Boden. Rechnet man diesen Faktor dazu, verursacht der Flugverkehr bis zu 10 % der vom Mensch verursachten Klimaerwärmung.
Insgesamt hat der Tourismus einen erheblichen Anteil am weltweiten Verkehrsaufkommen (nicht nur im Personen- sondern auch im Warenverkehr) und an der Klimabelastung. Tendenz steigend. Aber es gibt gewaltige Unterschiede in der CO2-Bilanz verschiedener Urlaubsformen, wie der WWF berechnet hat. So verursacht eine zweiwöchige All-Inclusive-Reise nach Mexiko 7.200 kg CO2-Emissionen, während für die gleiche Reisedauer in einer Ferienwohnung an der Ostsee „nur“ 258 kg CO2 anfallen. Im Vergleich dazu verursacht man beim sprichwörtlichen Urlaub auf „Balkonien“ nur 58 kg CO2.

Die genannten ökonomischen und ökologischen Folgeerscheinungen des Tourismus gehen auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Während der Tourismus einerseits Arbeitsplätze und Einkommen schafft, untergräbt er andererseits häufig auch die Rechte der einheimischen Menschen in den Urlaubsregionen. Im Zusammenhang mit touristischen Aktivitäten werden mancherorts Menschen in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt, ihre Beteiligung an Entscheidungen behindert und sie werden diskriminiert, indem sie bspw. von touristisch interessanten Orten plötzlich ausgeschlossen werden. Bäuer*innen und Fischerfamilien werden in einigen Regionen und Ländern enteignet oder indigene Gemeinschaften ohne angemessene Entschädigung von ihrem Land vertrieben, um z. B. touristische Großprojekte zu realisieren.
Die Nutzung der vorhandenen Ressourcen, wie Wasser, Energie und Nahrung, durch den Tourismus kann insbesondere bei Ressourcenknappheit zu einem Nutzungskonflikt führen, da sie für die lokal Ansässigen nicht mehr zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden – gerade bei den im Tourismussektor arbeitenden Menschen, aber auch im informellen Sektor – oft das Recht auf Gesundheit und menschenwürdige Arbeit, das Recht auf Schutz vor Zwangsarbeit und sexueller Ausbeutung, das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard sowie der Zugang zu Nahrung, Wasser und (Energie-)Ressourcen verletzt. So untergräbt Tourismus häufig die Rechte der Menschen in den Urlaubsregionen und beeinflusst die traditionelle Lebensweise und Kultur der Bevölkerung vor Ort.

Ans Meer oder in die Berge? Viele Menschen müssen oder können sich diese Frage überhaupt nicht stellen. Denn die positiven und menschenverbindenden Möglichkeiten von touristischen Aktivitäten sind global höchst ungleich verteilt. In den Ländern des Globalen Nordens mit gut bewachten Grenzen, also in „geschlossenen Gemeinschaften“ hat die Bevölkerung deutlich mehr Chancen, in andere Länder zu reisen. Das bezieht sich einerseits auf die materielle Option, sich das Reisen leisten zu können und andererseits auf die rechtliche Möglichkeit, dies auch zu dürfen. So haben – wie der Soziologe Steffen Mau herausgefunden hat – wir Deutschen die Möglichkeit, in 79 Länder visumsfrei einzureisen, im Gegenzug dürfen Bürger*innen aus nur 58 Staaten ohne Visum zu uns kommen. Und ganz nebenbei: auch jede*r fünfte Deutsche kann sich keinen Urlaub leisten.

Reisen bietet eine Möglichkeit des Austausches zwischen Menschen verschiedener Kulturen, bei dem beide Seiten einen kleinen Einblick in das Leben des anderen gewinnen können. Reisen hat aber auch eine rassistische Perspektive: Das kultur-touristische Sight-Seeing wurde längst durch das Life-Seeing der Alltagskultur ergänzt. Man „konsumiert“ das vermeintlich „Exotische“, das „Fremde“ und „Unberührte“. Gerade diese, im Tourismus zum alltäglichen Geschäft gehörende, Wertschätzung des Fremden ist Teil rassistischen Denkens und Handelns. Exotische Projektionen auf die bereisten Menschen werden selten hinterfragt. Über die individuelle Abgrenzung der eigenen Lebensrealität zur Andersartigkeit des im Urlaub Besuchten werden regionale und kulturelle – auch rassistische – Grenzen angenommen, hergestellt und verfestigt. So baut der Tourismus mit an der symbolischen Ordnung der Welt: Dem aktiven, freien und mobilen Teil der Menschheit stellen wir den anderen Teil gegenüber, der sich nicht weiterentwickeln darf, um weiterhin als „authentisch“ wahrgenommen werden zu können. Dadurch entsteht eine Welt, die aus einer überlegenen Zivilisation und vielen zu bereisenden, der Zivilisation entgegengesetzten, Kulturen besteht. Die früheren Kolonist*innen bereisen dabei die ehemaligen Kolonisierten; selten umgekehrt. Die „touristischen Eroberungen“ des Planeten sind also weiterhin den Menschen des Globalen Nordens vorbehalten.

Für unseren Wohlstandstourismus heißt dies: Aus den Menschenrechten auf Freizeit und Freizügigkeit lässt sich kein Recht auf Tourismus ableiten, vor allem dann nicht, wenn dadurch andere Menschen in ihren Rechten beschnitten werden. Unser massenhaftes Reisen hat Folgen, die nicht nur positiv sind. Der Tourismus setzt innerhalb relativ kurzer Zeiträume starke ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Gang. Es schwinden nicht nur die Lebensgrundlagen, sondern auch die kulturelle Identität und die tradierten Wertesysteme der lokalen Bevölkerung. Mehr als 60 Jahre nach dem Inkrafttreten der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ ist es also dringend angebracht, auch im Tourismus menschenrechtliche Standards verbindlich zu verankern, um eine sozial nachhaltige touristische Entwicklung zu gewährleisten. Daneben müssen wir ebenso die ökologische und die ökonomische Tragfähigkeit unseres Reiseverhaltens garantieren, um uns nicht auf Kosten anderer zu erholen.

Umsetzung der Spots

Ein nachhaltiger Albtraum

Wer sein CO2-Jahresbudget überschritten hat, wird aufgefordert das Flugzeug zu verlassen. Das betrifft natürlich jeden Fluggast. Aber Harald ist als Erster dran und muss durch den Notausgang mit dem Fallschirm abspringen. Er landet in der Elbe seiner Heimatstadt Dresden und ist froh, dass dies nur ein böser Albtraum war. Er hat die nachhaltigste Urlaubsform gewählt, indem er zu Hause entspannt und Abenteuer erlebt.

Wenn der Tourist
dreimal klingelt

Übertragen in unsere Welt werden die negativen Auswirkungen von Urlaubsreisen dargestellt. Ein idyllisches Ein-Familienhäuschen wird durch viele verschiedene Tourist*innen immer mehr zerstört. Übrig bleibt eine Müll-Landschaft.

Ein umwerfendes Angebot

Nach der üblichen Reiseberatung rechnet die Reisefachverkäuferin plötzlich alle noch nicht eingepreisten Reisekosten, wie Ausgleichszahlungen, Subventionswegfall, angemessene Löhne, Entschädigungszahlungen, Kosten für Müllbeseitigung, Wasserverbrauch, Wasseraufbereitung, Ressourcenverbrauch und Umweltschäden zum Reisepreis hinzu. Das Ergebnis dieser Rechnung haut alle vom Hocker.

Durch unsere Themenwahl, mit der wir unser Reiseverhalten kritisch hinterfragten, hatten wir sowohl innerhalb des Projektes als auch mit vielen Beteiligten/Partner*innen und der Presse sehr kontroverse Diskussionen. Oft haben wir dabei – ganz unbewusst – die Diskussion des Postwachstumsökonomen Nico Paech mit dem Reisebuchautoren Matthias Politycki im Deutschlandfunk wiederholt. Wie Matthias Politycki argumentierten einige, dass das Reisen unseren Horizont erweitere und uns durch das Erleben anderer Kulturen vor Fremdenfeindlichkeit bewahre. Durch unsere Recherche fanden wir aber auch konsequentere Interpretationen, zum Beispiel die des Informationszentrum 3 Welt . Diese NGO entlarvt das massenhafte Reisen einerseits als postkoloniale Eroberung der Welt. Andererseits zeigt die NGO deutlich, dass gerade die Wertschätzung des Fremden, als etwas von der eigenen Lebenswirklichkeit abgegrenztem, Teil rassistischen Denkens ist, indem exotische Projektionen auf die bereisten Menschen und Kulturen selten hinterfragt werden. Nico Paech betonte außerdem die klimaschädliche Bilanz unserer Reisen: „Weltreisen sind der maximale ökologische Klimaschaden, den ein Individuum finanziell erschwinglich und legal ausführen kann.“                                                                                       

Ganz entgegen unserer Erwartungen hatten sich sehr viele andere Menschen bereits vor uns auf den Weg gemacht, um über dieses Thema aufzuklären und für ein sozial gerechteres und klimafreundlicheres Reisen zu werben, z. B.: Tourism Watch, die Naturfreunde, Greenpeace, der WWF und sogar die UNWTO.

Mit dem forum anders reisen und ZENAT als Partner hatten wir uns Expert*innen für unser neues Ausschreibungsthema an die Seite geholt. Da unser Ausschreibungsjahr 2017 auch UN-Jahr für nachhaltigen Tourismus für Entwicklung war, hat die Presse unsere Meldungen in ihrer Berichterstattung rege aufgenommen. Unsere von Thea Klinger erstellte Projektpostkarte zeigt ein Motiv, bei dem ein Tourist mit Selfie-Stick die Erde plattsitzt. Bei unseren 14 Standaktionen erreichten wir mit unserem an das Thema angepassten Konzept – man konnte in einem Schwimmbecken Hintergrundinfos zu den globalen Auswirkungen unseres Urlaubs bzw. Tipps und Tricks zum Bessermachen angeln und diese unterm Sonnenschirm mit uns diskutieren – knapp 700 Personen. Wir haben auch neue Aktionen, wie die Guerilla Stecil-Action, ausprobiert, um auf unsere Kampagne aufmerksam zu machen. Für unsere Infoveranstaltungen mit insgesamt über 150 Besucher*innen ist es uns in Dresden (in Kooperation mit der Lokalen Agenda 21 und den Städtischen Bibliotheken Dresden und in Chemnitz (in Kooperation mit dem Umweltzentrum) gelungen, den Buchautor Frank Herrmann als Referenten zu gewinnen. Frank Herrmann war auf einer „Fairen Fahrradtour“ durch Deutschland unterwegs, um sein Buch „FAIRreisen“ zu präsentieren und über die Auswirkungen von nicht-nachhaltigem Tourismus zu informieren. In Leipzig haben wir in Kooperation mit dem Globalisierungskritischen Filmfestival GlobaLE vor der Filmvorführung von „Art War“ unsere Bildungsspots aus den Vorjahren angeschaut und über das Projekt und seine Inhalte gesprochen. Genau 112 Personen haben sich an unserer Ausschreibung beteiligt und einzeln oder in Gruppen kreative, witzige oder traurige, spektakuläre oder ruhige Spotideen in Textform bei uns abgegeben. In der Jury mit Personen aus Entwicklungspolitik, Kultur, Film, Verwaltung, Hochschule und Zivilgesellschaft wählten über 40 Personen die jeweils beste Idee für Dresden, Chemnitz und Leipzig aus. Die Kriterien entwicklungspolitischer Bezug / globale Aussage, Vermittlung konkreter Handlungsoptionen / Alltagsbezug sowie Originalität waren bei dieser Auswahl entscheidend.

In bewährter Weise wurden die durch unsere Jury ausgewählten Ideen mit Hilfe des Potsdamer Regisseurs Thomas Frick und der Dresdner Produktionsfirma ravir film GbR, sowie vielen freiwilligen Engagierten professionell verfilmt. In jeder Projektstadt hatten wir intensive Drehtage. Mit fleißigen Helfer*innen wurden in kürzester Zeit unheimlich viele Ressourcen bewegt und Requisiten, Drehmaterial und Drehorte aufgetan, transportiert, gestaltet und eingesetzt. Für den Dresden-Spot hieß es, diverse Laubbläser auf dem Flugzeugflügel stehend zu bedienen und damit Wind und Dunst in Christian Marks Gesicht zu pusten. Ein Haus für den Leipzig-Dreh zu verwüsten, hat nicht nur den zahlreichen Tourist*innen, sondern auch der Crew Spaß gemacht. Unser leckeres selbst-kreiertes Catering aus geretteten Lebensmitteln der Dresdner Tafel war immer nur ein kleines Dankeschön für die tolle Unterstützung aller Beteiligten. Nach langem Ringen und Abstimmen, um mit Claims und Sprechertexten genau den Punkt zu treffen, hat Andreas Jung den Spots mit seiner beeindruckenden Stimme den letzten Schliff gegeben.

„Hier spricht Ihr Kapitän: Wenn Sie Ihr CO2-Jahresbudget bereits überschritten haben, müssen wir Sie bitten, auszusteigen. Danke sehr und einen schönen Urlaub.“ Diesen Satz möchte wohl niemand gerne hören, nachdem er gerade auf seinem Flugzeugsitz Platz genommen hat. Aber wie eigentlich jeden, der fliegt, trifft es auch Karl-Heinz, unseren Hauptdarsteller, gespielt von Christian Mark (Theater der Stadt Gotha). Er muss das Flugzeug via Fallschirmsprung verlassen. Doch er hat Glück und landet in seiner Heimatstadt Dresden in der Elbe, denn er hatte nur einen bösen Albtraum. Stattdessen hat er die nachhaltigste Urlaubsform gewählt und hat zu Hause entspannt bzw. Abenteuer vor der Haustür erlebt. Auch die Stewardess, die ihn gerade eben noch den letzten Schubs aus dem Flugzeug gegeben hat, entpuppt sich als seine Frau Miriam, gespielt von Katja Rogner. Als spektakulären Drehort für den Flugzeug-Dreh fanden wir beim Otto-Lilienthal-Verein Stölln e.V. die letzte intakte Interflug-Maschine IL 62 mit dem schönen Namen „Lady Agnes“. Im Hintergrund bringt uns „The Ocean Song“ von Ukulele Jim alias James Andrew Clark in Urlaubsstimmung. Premiere feierte der Spot am 26.07.2018 bei den Filmnächten am Elbufer.

Best-Of Filmdreh:

Nach der üblichen Reiseberatung rechnet die Reisefachverkäuferin, gespielt von der gebürtigen Chemnitzerin Anne Diedering, plötzlich alle noch nicht eingepreisten Reisekosten, wie Ausgleichszahlungen, Subventionswegfall, angemessene Löhne, Entschädigungszahlungen, Kosten für Müllbeseitigung, Wasserverbrauch, Wasseraufbereitung, Ressourcenverbrauch und Umweltschäden zum Reisepreis hinzu. Das Ergebnis dieser Rechnung haut das reiselustige Paar Luise (Isabelle Weh, Fritz Theater) und Reinhard (Michael-Paul Milow) vom Hocker. Die Reiseerlebnis GmbH war mutig genug, ihr Reisebüro am Rosenhof 11 für diesen reisekritischen Spot zur Verfügung zu stellen. Im Reisebüro haben wir einen ganzen Tag lang den Geschäftsbetrieb tüchtig durcheinander gebracht: die Kund*innen mussten über die Schienen der Kameras steigen oder sie ließen sich, weil ohnehin kein Durchkommen war, gleich außerhalb des Reisebüros beraten. Mit dem 1982er-Hit „Sommersprossen“ der NDW-Band UKW wird der Spot komplett. Er feierte seine Premiere bei den Filmnächten Chemnitz zur Kurzfilmnacht am 28.07.2018.

Best-Of Filmdreh:

Nicht nur die indirekten Schäden unserer Reisen durch Treibhausgasemissionen, sondern auch die unmittelbaren negativen Auswirkungen unseres Besuchs anderer Regionen sind spürbar. Mit ihrer Spot-Idee überträgt Marthe Gruner diese Zerstörung in die uns bekannte Welt. Ein idyllisches Einfamilienhäuschen wird durch viele verschiedene Tourist*innen immer mehr zerstört. Übrig bleibt eine Müll-Landschaft. Wichtig ist uns dabei, nicht eine Form der Reisens, bspw. Pauschal- und Massentourismus, als schädlich zu kritisieren, sondern die negativen Folgen aller Reisen – auch individueller Backpacking-Touren – darzustellen. Die Hausbewohner Harald und Isabell, gespielt von Christian Mark (Theater der Stadt Gotha) und Annett Sawallisch (Schauspiel Leipzig), bereiten den Urlauber*innen einen freundlichen Empfang. Sie haben ihre Kinder, die wirklichen Bewohner*innen des Drehorts, herausgeputzt. Die Zerstörung, die übrig bleibt, wenn die Tourist*innen, gespielt von den Schauspieler*innen der Theatergruppen Schwarzpulver, TheaterPack, Cammerspiele, Theater-Vision, wieder weg sind, haben sie alle nicht erwartet. Mit dem bekannten Elektro-DJ Cuthead und AlekSound haben wir die passende musikalische Untermalung gefunden. Premiere feierte der Spot bei der erstmaligen Veranstaltung des Open Air-Festivals Leipziger Markt Musik am 03.08.2018 anmoderiert von RB-Moderator Tim Thoelke.

Best-Of Filmdreh:

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